Andrea Alfaré, Thekla Huber-Kaiser, Frauke Janz, Theo Klauß (Hrsg.):

Facilitated Communication - Forschung und Praxis im Dialog

Facilitated Communication - Forschung und Praxis im Dialog

An der Facilitated Communication (FC) scheiden sich auch etwa zwei Jahrzehnte nach ihrem Bekanntwerden in Europa die Geister. Menschen mit Autismus und anderen erheblichen Kommunikationsbeein-trächtigungen nutzen sie in Schulen, Familien, Diensten und Einrichtungen. Häufig wird von sehr positiven Auswirkungen berichtet und manche Nutzer machen mit FC Abitur, nachdem sie zuvor als geistig behindert galten. Diese Diskrepanz zwischen den ‚gestützt’ hervorgebrachten kommunikativen und kognitiven Leistungen und dem zuvor − und ohne ‚Stütze’ meist auch weiterhin − gezeigten Kompetenzniveau führte einerseits zu einer teilweise begeisterten Anhängerschaft; schien doch nun ein Zugang zu Menschen möglich, mit denen bis dahin kaum ein Austausch möglich war, und die deshalb unter anderem als schwer geistig behindert erschienen (vgl. dazu Schleiffer in diesem Band). Andererseits wird diese Methode vor allem von der empirischen Wissenschaft skeptisch beurteilt, weil sie im Gegensatz zu anderen Methoden der Unterstützten Kommunikation (UK; vgl. Boenisch, & Bünk 2006) zur Produktion von Äußerungen führt, die überhaupt nicht zu dem Bild passen, das man aufgrund der eigenständig hervorgebrachten Äußerungen von den Menschen hat. Zudem lässt sich offenbar experi-mentell kaum eindeutig beweisen, dass die Äußerungen tatsächlich vom Nutzer stammen. Mehrheitlich halten Forscher im englischen wie im deutschen Sprachraum die Frage nach der so genannten ‚Validität’ von FC für empirisch längst geklärt durch Studien, die sämtlich vor dem Jahr 2000 durchgeführt wurden (vgl. Biermann, Nußbeck & Bober 2002; Bober 2003; Probst 2009). Die negative empirische Befundlage scheint in der Praxis dennoch nicht dazu zu führen, dass die Anwendung von FC abnimmt. Nach der Einschätzung von deutschsprachigen Wissenschaftlern aus dem Umfeld der Geistigbehindertenpädagogik und von Stützpersonen breitet sich FC sogar weiter aus (vgl. den Beitrag von Bayer u. a. in diesem Band). Die Chance, dass erheblich kommunikationsbeeinträchtigte Menschen eine Möglichkeit zur sprachlichen Verständigung erhalten könn-ten, zu mehr Selbstbestimmung und zur Demonstration unerwarteter Fähigkeiten, scheint dabei mehr Gewicht zu haben als die Bedenken, die es bei FC-Anwendern durchaus gibt. Unübersehbar ist die Attraktivität der Methode für Pädagogen, Therapeuten und Eltern, die ihre Unsicherheit im Umgang mit ihrem Gegenüber deutlich reduzieren können, wenn dieser nun plötzlich mit differenzierter Sprache kommuniziert.

224 S., kart., € 19,90

ISBN 978-3-86059-196-3